„Rund um die Kuh“ -Quiz vom Brüllmarkt 2009
Zunächst galt es, etwas Mut aufzubringen und beim Melken der Kühe im Melkstand dabei zu sein. Was allerdings die Kuh vorher fressen muss, um überhaupt so viel Milch geben zu können, erkannten die Teilnehmer beim Füttern der Tiere. Hier durfte kräftig selbst Hand angelegt werden. Nach der Führung über den Betrieb und der heiß begehrten Fahrt mit dem Trecker wurde gemeinsam ein gesundes Frühstück mit verschiedenen Brotaufstrichen, Milchgetränken und selbstgebackenen Brötchen hergestellt. Denn der Weg vom Gras zum Milchprodukt ist wirklich lang – und macht hungrig.
Den Druck von den Erzeugern wegnehmen
Heinz Korte, Vizepräsident des Niedersächsischen Landvolkes und Vorsitzender des Milchausschusses auf Landesebene, diskutierte mit Milcherzeugern des Kreislandvolkverbandes Friesland über die „Zeit nach der Quote“. EU-Politik soll künftig neue Herausforderungen wie Klima- und Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Schutz der Landwirte vor Einkommensverlusten durch Ertragsausfälle und Billig-konkurrenz aus Drittstaaten beinhalten.
Die Ursache für die wirtschaftliche Misere der Milcherzeuger liegt in erster Linie in den Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise. Wie kann zukünftig mit solchen Markteinbrüchen umgegangen werden, ohne dass die landwirtschaftlichen Betriebe die entsprechenden Auswirkungen zu 100% alleine tragen müssen? Dass sich die Erlöse für die Milch künftig an einem Milchmarkt, in den der Staat immer weniger regulierend eingreifen wird, ausrichten werden, ist den Landwirten und ihrer Interessensvertretung, dem Deutschen Bauern-verband, längst klar. Im Jahr 2015 fällt die Milchquote weg, Molkereien werden dann durch privatrechtliche Vereinbarungen mit ihren angeschlossenen Landwirten die anzuliefernden Milchmengen und Erlöse regeln müssen. Sollten die Milcherzeuger kein Aus-kommen mit den neuen Preisregelungen finden, könnte sich ein Wechsel zur Biogaserzeugung ergeben. Zur Zeit haben sich die Marktprognosen leicht verbessert, der globale Markt für Milch und Milchprodukte scheint sich zu erholen. Vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Bevölkerungszahl sollte sich die Nachfrage im Laufe der Zeit weiter erhöhen. Allerdings gibt es weltweit große Unterschiede in den Produktionskosten. So kann z.B. in Australien aufgrund des Klimas wesentlich preisgünstiger Milch produziert werden. In Niedersachsen würde einer Studie zufolge bei einem Auszahlungspreis von 30 Cent/Liter die Anzahl der Milch erzeugenden Betriebe stabil bleiben, während bei nur 25 Cent etwa 60% der Höfe aufgeben müssten. Noch scheinen die Familienbetriebe in Niedersachsen den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern mobilisieren alle Reserven, um die schwierigste Lage seit 30 Jahren zu überstehen. Um sich für zukünftige Marktschwankungen rüsten zu können, muss allerdings die Bildung von Rücklagen steuerfrei möglich sein. Am 19.10.09 forderten 21 EU-Mitgliedsstaaten in Luxemburg mehr Möglichkeiten zur Unterstützung des Milchsektors ein, darunter die Absatzförderung von Milchprodukten durch verbesserte Verbraucherinformation; Exporterleichterungen für Butter, Milchpulver und Käse; die Stärkung der Verhandlungspositionen von Milcherzeugern und Molkereien gegenüber dem Lebensmittelhandel und eine Förderung der Abgabe von Milchprodukten an Schulen bis hin zu Universitäten. Der Deutsche Bauernverband unterstützt die Forderungen der 21 EU-Länder, die immerhin 95% der Milchbetriebe in der EU repräsentieren. Das Aktionsbündnis Milch der Kreislandvolkverbände Friesland und Wesermarsch, zu dem Vertreter der Landfrauen; des Arbeitskreises junger Landwirte; der Landwirtschaftskammer; der Molkereien; der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen und des Landvolkes gehören, hat u.a. bereits Ideen entwickelt, wie der Schulmilchabsatz wieder angekurbelt werden kann. Heinz Korte begrüßte diese Initiative, die bisher in Niedersachsen einmalig ist: „Die Bauern müssen sich wieder mehr mit ihren Produkten identifizieren. Die Milch öffentlich wegzuschütten ist wenig geeignet, um ihr ein positives Image zu verleihen“.
Brüllmarkt 2009
Die Kreisarbeitsgemeinschaft der Landfrauen informierte im Zelt der Landwirtschaft über die Unterschiede zwischen echtem Käse und Käseimitaten. Der Kreislandvolkverband machte auf die Bedeutung der Milcherzeuger und hochwertiger Milchprodukte für einen abwechslungsreichen Speiseplan aufmerksam und verloste mit dem Quiz „Rund um die Kuh“ einen erlebnisreichen Vormittag auf einem Bauernhof.
Zusammen mit dem vor dem Zelt aufgebauten „Melkhus“ konzentrierten sich die Aktivitäten der Kreisarbeitsgemeinschaft der Landfrauen und des Kreislandvolkverbandes Friesland darauf, ein positives Image von Milch und Milchprodukten bei den Besuchern zu erzeugen. Am Stand der Kreisarbeitsgemeinschaft konnten verschiedene Milchorten erschmeckt und leckere Käsesorten probiert werden. Eine Unterschriftensammelaktion soll dazu beitragen, dass künftig Käseimitate für den Verbraucher eindeutig kenntlich gemacht werden, um Verwechslungen auszuschließen und eine bewusste Entscheidung für hochwertigen Käse aus Milch zu ermöglichen. Das Melkhus sorgte mit schmackhaften und einfallsreich komponierten Milchgetränken für Gaumenkitzel und musste wegen der großen Nachfrage schon bald Nachschub an Milch ordern. Am Stand des Kreislandvolkverbandes informierten die Vorstandsmitglieder über die Arbeit des Verbandes und über die friesische Landwirtschaft. Großen Zuspruch fand auch das Quiz „Rund um die Kuh“, bei dem es für Nicht-Landwirte manche harte Nuss zu knacken gab. Die Gewinner werden im Rahmen des niedersachsenweiten Projektes „Transparenz schaffen- von der Ladentheke zum Erzeuger“ einen interessanten Vormittag auf einem Milchviehbetrieb erleben. Auf der Website des Jeverschen Wochenblattes wartet unter www.jeversches-wochenblatt.de/portals/3/htv/video.html ein Überblick über den diesjährigen Brüllmarkt auf den Betrachter.
Findet wieder zur alten Stärke und Gemeinsamkeit zusammen!
Bei der Übergabe der Erntekrone an den Landkreis Friesland lobte Landrat Sven Ambrosy die gute Kooperation und den ständigen Austausch zwischen den Behörden und den Vertretern des Landvolkes. Dadurch sei eine stetige Verbesserung der Behördenarbeit gewährleistet.
Sven Ambrosy stellte in seiner Begrüßungsrede fest, dass die Landwirte nicht mehr „mit einer Zunge sprechen“ würden. Dadurch sei es den Discountern möglich, die Erzeugerpreise immer mehr zu drücken. Er appellierte an die Landwirte, wieder zur alten Stärke und Gemeinsamkeit zusammenzufinden. Kreislandwirt Hartmut Seetzen gab einen Rückblick über die wechselhaften Witterungsverläufe und die Erntequalität der ablaufenden Vegetationsperiode. Insgesamt beurteilte er die Ernte von Mais und Getreide als gut „wenn man den geringen Erlös nicht bedenkt“. Die Auswirkungen des niedrigen Milchpreises auf die Betriebe habe bereits zu Betriebsaufgaben geführt, die aktuelle leichte Erhöhung des Auszahlungspreises sei so gering, dass sie fast nicht zu Buche schlage. Trotzdem seien nationale Alleingänge in der EU-Milchpolitik nicht förderlich.
In der folgenden Diskussion äußerten die Landwirte Bedenken gegenüber der eventuell zunehmenden Errichtung von Fotovoltaikanlagen, die Ackerflächen der Bewirtschaftung entzögen. Landrat Sven Ambrosy betonte, dass der Landkreis solche Anlagen bevorzugt auf Dachflächen einrichten lassen werde. Auch neue Bauflächen würden vermehrt am Stadtrand entstehen statt landwirtschaftliche Flächen dafür in Anspruch zu nehmen. Seit mehreren Jahren wird bereits diskutiert, ob die neue B 210 für landwirtschaftliche Fahrzeuge freigegeben werden kann. Definitiv kam nun von der Landesbehörde für Straßen und Verkehr das Nein, weil das Unfallrisiko durch mögliche fahrlässige Überholmanöver in den einspurigen Abschnitten als zu hoch eingestuft wird. Armin Tuinmann von der unteren Naturschutzbehörde erläuterte die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, das ab dem 01.03.2010 in Kraft tritt und die Umwidmung landwirtschaftlich genutzter Flächen zu Ausgleichsflächen stark einschränke. Mit betroffenen Landwirten würde künftig eine angepasste Nutzungsform im Sinne einer Ausgleichsflächennutzung vereinbart und mittels Ersatzgeldzahlungen honoriert. Tuinmann bedankte sich auch für die gute Zusammen-arbeit mit den Landwirten in Friesland und der Wesermarsch hinsichtlich des Vogelschutzes. So konnten beispielsweise etliche Bruten der Wiesenweihe gesichert werden.
Keine kurzfristigen Wege aus der Krise
Im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung des Kreisverbandes Wittmund und des Kreislandvolkverbandes Friesland stellten sich die Bundestagskandidaten des Wahlkreises 21 den Fragen der Landwirte. Gegen Ende der Veranstaltung erhitzten sich einige Gemüter angesichts der Perspektive, keine schnell wirksamen Lösungen seitens der Politik erwarten zu können.
Karin Evers-Meyer (SPD) eröffnete nach der Begrüßung durch Kreislandwirt Hartmut Seetzen die Reihe der politischen Statements zum Thema Marktpolitik mit dem Standpunkt, dass die Landwirte die Letzten in der Reihe seien, die von der Kettenreaktion der Dumpingpreispolitik getroffen würden. Da kein Allheilmittel in Sicht sei, sollten die Landwirte weitere betriebswirtschaftliche Standbeine entwickeln, um ihre Existenzen zu sichern. Die SPD fördere die nachhaltige Landwirtschaft mit einer klima- und umweltschonenden Wirtschaftsweise und setze sich für eine Verbesserung des Verbraucher-bewusstseins für regional und umweltschonend hergestellte Lebensmittel ein. Die Milchvermarktung sei schlecht organisiert, so dass sich Molkerein vom Lebensmittelhandel schnell unter Druck setzen lassen könnten. Werner Kammer ( CDU) stellte die Frage, welchen Preis die Allgemeinheit für den Erhalt der Kulturlandschaft zu zahlen bereit sei. Die Politik müsse dafür sorgen, dass den Landwirten eine angemessenen Entlohnung und Anerkennung ihrer Tätigkeiten gewährt bleibt und steuerliche Erleichterungen bei der Bildung von Rücklagen geschaffen werden. Neue Exportmärkte sollten erschlossen werden. Die CDU halte an einem Wegfall der Milchquote fest. Lübbo Meppen ( FDP) stellte klar heraus, dass das Geld, das den Landwirten jetzt fehle, von ihnen selbst am Markt erwirtschaftet werden müsse. Die Landwirte sollten sich an die eingebrochene Nachfrage nach Milchprodukten anpassen. Vorruhestand und Betriebsaufgaben müssten sozial abgefedert werden. Peter Sokolowski (Bündnis 90/Die Grünen) empfahl eine Verbesserung des Images der Milchprodukte, um die Verbraucher zu motivieren, höhere Preise zu bezahlen. Er schätzte die Quote der aufgebenden Betriebe auf ca. 30 % von derzeit 100.000 Höfen ein. Anja Kindo (Die Linke) stellte die Ziele ihrer Partei als die Förderung der gentechnikfreien Landwirtschaft, der Produktion nach-wachsender Rohstoffe und der Verminderung der Überschuss-produktion dar. Hans-Georg Seibert, leitender Verwaltungsdirektor der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, schilderte zum Thema Sozialpolitik die möglichen Konsequenzen für die Landwirte, wenn es zur Einrichtung einer zentralen Bundesanstalt für landwirtschaft-liche Sozialversicherungen mit bundeseinheitlichen Beträgen käme. Beitragsanstiege würden mit schlechterem Service gekoppelt. Zudem würden im Zuge des Lastenausgleiches Gelder aus dem Norden in die südlichen Bundesländer fließen, deren Betriebseinkommen aber ohnehin schon höher lägen als die der norddeutschen Landwirte. Sokolowski betonte, dass das Solidarprinzip erhalten werden müsse, auch wenn es keine gerechte Lösung für alle darstelle. Werner Kammer ergänzte, dass die Zuschüsse des Bundes zu den Beiträgen der Versicherten im Konjunkturpaket 2 vorgesehen sind. Im Laufe der folgenden Diskussion zum Thema erneuerbare Energien und nachwachsende Rohstoffe erläuterten die Landwirte ihre Situation angesichts der abgestürzten Rapspreise durch die Verteuerung des Biodiesels und der damit einhergehenden Verminderung des Absatzes sowie der enorm gestiegenen Pachtpreise für Nutzflächen durch den vermehrten Anbau von Energiepflanzen. Landwirte, die vor einigen Jahren Investitionen in einen verbesserten Kuhkomfort getätigt hätten, stünden jetzt einerseits den gesunkenen Milchpreisen und andererseits der Verteuerung ihrer zugepachteten Acker- und Weideflächen gegenüber. Eine weitere Konkurrenzsituation entstehe auch durch die Umwidmung von land-wirtschaftlichen Nutzflächen in Ausgleichsflächen für industrielle Baumaß-nahmen, führte Herbert Heyen, Vorsitzender des Kreisverbandes Wittmund, aus. Etwa 100 ha würden täglich an Fläche durch Überbauung etc. zerstört, so Sokolowski. Zu diesem Thema äußerten sich alle Bundestags-kandidaten einhellig, dass der Flächenverbrauch vermindert werden müsse. Einhellig schien auch die entrüstete Reaktion der Landwirte am Schluss der Veranstaltung: „Wir hätten auch zuhause bleiben können!“ – denn wirkliche Lösungsmöglichkeiten für ihre dringenden und Existenz bedrohenden Probleme bekamen sie nicht.
Kundgebung zum „Tag der Milch“
Was alles an der Milch „dranhängt“ wurde anlässlich des Tages der Milch am 01.06.2009 auf dem Hof von Kreislandwirt Hartmut Seetzen in Varel-Neuenwege auch denjenigen Besuchern eindrücklich vermittelt, die nicht selbst in engem Bezug zur Landwirtschaft leben.
„Heute müssen wir Alarm geben“, betonte Landrat Sven Ambrosy, damit die untrennbare Einheit von Landwirtschaft als Erhalter der Kulturlandschaft und als wirtschaftlicher Motor der Region stabil bleibe. Die Region dürfe sich nicht auseinander dividieren lassen durch Unstimmigkeiten zwischen den Milcherzeugern, den Molkerein und dem Lebensmittelhandel. Die Mentalität der Discounter müsse sich ändern hin zum Motto „Leben und Leben lassen“. An die Mitverantwortung der Verbraucher, mit ihrem Konsumverhalten den Absatz von Milchprodukten positiv zu beeinflussen, appellierten auch die beiden Vertreter der Junglandwirte Heino Lehmhus und Henrik Lübben. In diese Richtung zielen auch die zahlreichen Aktivitäten der Bäuerinnen und Landfrauen aus Friesland und der Wesermarsch, die beispielsweise mit handlungsorientierten Schulprojekten den Wert der Milchprodukte für eine gesunde Ernährung an die Kinder herantragen, erläuterte Anne Sager. Wirtschaftlich bedeutsam für die ländliche Region seien aber nicht nur die Milchviehbetriebe selbst, sondern auch die Partner aus den vor- und nachgelagerten Betrieben wie z.B. die Raiffeisen-Agrartechnik Nordwest mit 50 Mitarbeitern und die Fa. Hedemann (Stalleinrichtungen) mit 40 Arbeitsplätzen in Friesland, betonte Hermann Mammen als Vertreter des Handels. Malte Lübben schilderte aus Sicht der 450 Lohnunternehmer, die mit ihren 6000 Mitarbeitern z.B. landwirtschaftliche Arbeiten wie Säen und das Einbringen der Silageernte übernehmen, dass bereits deutlich ein Rückgang an Aufträgen durch die Landwirtezu spüren sei, da den Betrieben zur Zeit die nötige Liquidität fehle. Ebenso ergeht des den 4 Tierärzten, die im 24-Stunden-Dienst die tägliche gesundheitliche Betreuung der Viehbestände in der Region sicherstellen. Tierarzt Heiko Iben fürchtet, dass sich kaum Nachwuchskräfte unter den aktuellen Perspektiven finden werden. Peter Cornelius, Vorsitzender der Landesvereinigung der Milchwirtschaft und des Kreislandvolkverbandes Wesermarsch, forderte die Politik auf, stabile Rahmenbedingungen für den Milchmarkt zu bieten und nicht in den Markt einzugreifen. Die Milchquote habe nicht verhindern können, dass 70% der Milcherzeuger aufgegeben haben. Jetzt müssten die Landwirte eigene Initiativen ergreifen, um die Vermarktung der Milch positiv beeinflussen zu können. Astrid Grotelüschen, Kandidatin der CDU für die kommende Bundestagswahl, betonte, dass die deutschen Milchprodukte im Ausland stärker herausgestellt werden müssten. MdB Holger Ortl (SPD), sieht bereits innerhalb Deutschlands Unterschiede in der Vermarktung von Milchprodukten. Der Norden dürfe seine Milch nicht hauptsächlich in Form von Milchpulver vermarkten und dem Süden die hochwertigen Produkte überlassen. Ralf Hinrichs, Geschäftsführer der Molkerei Ammerland, bat um Quotendisziplin. Der Absatz sei zur Zeit nicht zu steigern. „Lassen Sie uns nur Genuss produzieren, wir müssen die Verbraucher süchtig nach Milchprodukten machen“. Aber auch Hilfen zum Strukturwandel dürften kein Tabuthema sein, um Landwirten bei einer beruflichen Um-orientierung helfen zu können. Ingo Müller, Direktor Landwirtschaft bei der Nordmilch e.G., betreut die 7500 zuliefernden Milcherzeuger an den 8 Molkereien mit ihren insgesamt 2500 Mitarbeitern, die jährlich 4 Milliarden Liter Milch verarbeiten. Er forderte eine Verbesserung der Molkereistrukturen wie etwa auf das französische Niveau. Zur Zeit könne der Lebensmittelhandel mit 100 Molkerein in Deutschland verhandeln und diese so gegeneinander ausspielen. Die stillgelegten Forschungsinstitute wie z.B. Weihenstephan müssten neu aufgestellt werden, damit innovative Milchprodukte entwickelt werden könnten. Klasse statt Masse, denn Großerzeuger von Milch-pulver wie etwa Australien produzieren wesentlich günstiger für den Weltmarkt als Deutschland, hier liegt also eher die Zukunft bei der Erzeugung hochwertiger Milchprodukte für den Endverbraucher. Annegret Schild und Ellen Kromminga-Jabben als Vertreterinnen der Landfrauen in Friesland und der Wesermarsch schlossen den ersten Teil der Veranstaltung mit den Worten „Wir sind nicht zum Jammern hergekommen“. Sie forderten u.a. ein Reinheitsgebot für Milchprodukte und Schluss mit dem Motto „Geiz ist Geil“. Im Anschluss formierten sich die Besucher der Kundgebung auf einer Wiese zu dem Wort „Milch“ und zeigten dadurch: Wir stehen zusammen!
Neues „Aktionsbündnis Milch“
Niedersachsen ist in Sachen Milch 220%iger Selbstversorger, das heißt, auf den Export von Milchprodukten angewiesen. Böden und Klimaverhältnisse bieten optimale Bedingungen für die Weidewirtschaft und Milchviehhaltung und lassen in den Marschgebieten oft gar keine Alternativen zu. Doch die hier lebenden Landwirte stehen mit ihren Betrieben inzwischen mit dem Rücken an der Wand. Wie können sie die Marktsituation selbst verbessern?
Landwirte aus Friesland und der Wesermarsch, Landfrauen, Mitglieder des Arbeitskreises junger Landwirte, Vertreter der Landesvereinigung der Milchwirtschaft, der Molkereien und der Landwirtschaftskammer fanden sich am 06.05.2009 zusammen, um gemeinsam Ideen und Perspektiven für eine Verbesserung der Situation der Milchbauern zu entwickeln.
Manfred Mauren, Medientrainer und Filmproduzent von der Andreas-Hermes-Akademie in Bonn, moderierte die Veranstaltung. In einer vorangehenden Situationsanalyse stellte sich heraus, dass die Trinkmilch einen hohen emotionalen Stellenwert besitzt und sich gut mit regionalen Merkmalen wie z.B. Landschaftstypen oder mit besonderen Erzeugungsbedingungen bewerben lässt. Supermarktketten wie „Combi“ haben das bereits seit längerem erkannt und bieten beispielsweise Trinkmilch der Marken „Naturwert“ und „Küstengold“ an. Die Trinkmilch hat allerdings nur einen geringen Marktanteil von ca. 10-12% aller Milchprodukte. Mit ihrem Imagewert lässt sich aber allgemein die ernährungsphysiologische Bedeutung von Milchprodukten an den Verbraucher herantragen. Die Veranstaltungsteilnehmer berichteten aus eigener Erfahrung in Kindergärten und Schulen, dass Trinkmilch bei Kindern eine schrumpfende Rolle spiele und der Konsum von Säften stetig zugenommen habe, möglicherweise als Folge einer intensiven Bewerbung in den Medien.
Selbstkritisch wurde auch die Situation innerhalb der Landwirtschaft angesprochen. Der Konkurrenzkampf unter den Landwirten sei größer geworden : „Heb´dich von deinem Nachbarn ab, sei größer, schneller, besser“ . Der aktuelle wirtschaftliche Druck ist zur Zeit das brennendste Thema in den einzelnen Betrieben, und die Reaktionen darauf streuen sich von Resignation bis zur Motivation, geschlossen das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Auch in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen ist die Krise bereits angekommen. So sind z.B. Arbeitsplätze in den Untersuchungslaboren der Technischen Hochschule Hannover, des Milchlabores Wunstorf und der Universität Leipzig bedroht, da dort bereits weniger Blut-, Milch- bzw. Kotproben von Tieren zur Untersuchung eingeliefert werden.
In verschiedenen Arbeitsgruppen entwickelten die Teilnehmer ein Leitbild für das künftige „Aktionsbündnis Milch“ und zahlreiche Möglichkeiten, auf die Marktsituation, die öffentliche Meinung und die Politik Einfluss zu nehmen.
Wir wollen Landwirte bleiben!
MdB Hans-Werner Kammer informierte sich am 28.04.09 über die aktuelle wirtschaftliche Situation der Milcherzeuger. Der Kreislandvolkverband Friesland hatte dazu neben einem Gesprächstermin auch die Besichtigung des Betriebes von Jann und Bianca Janssen vorbereitet, die ihren und weitere zwei Höfe zusammen mit Bernd Janssen als GbR bewirt-schaften.
Die Landwirte aus dem Vorstand des Kreislandvolkverbandes sehen zur Zeit verschiedenen Tatsachen mit sorgenvollem Blick ins Auge. Da ist zum einen der gesunkene Milchpreis zu nennen, der gerade noch die (bescheidene) Existenz der Familien und die Versorgung der Kühe mit Gras und der Silage aus dem Vorjahr erlaubt. Schon der Zukauf von Kraftfutter wird zu einem Kraftakt, und die Finanzierung der bevorstehenden Grassilageernte überfordert die Eigenmittel der Betriebe erst recht. Schließlich nimmt ein zur Silageernte angefordertes Lohnunternehmen mit der entsprechenden technischen Ausrüstung pro Minute 9-11 Euro. Viele Landwirte kämpfen auch mit einem enormen Anstieg der Pachtpreise für ihre Nutzflächen, besonders wenn diese in der Umgebung von Biogasanlagen liegen. Die staatliche Förderung der Biogasanlagen hat zu einem vermehrten Anbau von Energiemais geführt,weil er sich lukrativ verkaufen lässt. Daher steigt der „Landhunger“ der Energiemais produzierenden Betriebe an, die es sich zudem leisten können, höhere Pachtpreise als die Milchbauern zu zahlen. Zu dieser nationalen Wettbewerbs-verzerrung kommen noch die ungleichen Produktionsbedingungen innerhalb Europas hinzu. So braucht beispielsweise ein französischer Landwirt nur 0,6 Cent Steuern pro Liter Dieseltreibstoff zu zahlen, ein Deutscher dagegen 40 Cent. Die Landwirte können ihre wirt-schaftlichen Nöte auch nicht mit Ersparnissen von der „hohen Kante“ aus dem vergleichsweise guten Wirtschaftsjahr 2008 ausgleichen, da das Finanzamt mit einer Besteuerung bis zu 50% jegliche finanzielle Rücklagen empfindlich schmälert. Als Sofortmaßnahmen fordern die Landwirte daher schnelle steuerliche Entlastungen der Landwirtschaft. Vor dem Hintergrund des Wegfalls der CMA (Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft) und der schleichenden Zunahme an Substituten wie z.B. Analog-Käse sollte die Bundespolitik eine gezielte, unterstützende Absatzförderung von Milchprodukten durchführen. Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen EU-Staaten z.B. im Umwelt- und Baurecht müssen verhindert werden. Milcherzeuger, die langfristige Investitionen in ihre Betriebsstätten getätigt haben, werden nach dem Auslaufen der Milchquote 2015 in die Unwägbarkeiten eines so genannten freien Marktes entlassen. Energie erzeugende Landwirte erhalten dagegen bei der Erzeugung von Biogas 20 Jahre lang einen staatlichen Garantiepreis, weil sich die Bundespolitik ehrgeizige Ziele in der CO2-Reduktion gesetzt hat. Die Landwirtschaft mit ihren vor- und nachgelagerten Arbeitsplätzen z.B. im Handwerk und in der Lebens-mittelbranche ist Motor des ländlichen Raumes, betonte Jann Janssen. Auch die Banken erleben die Höfe in der Regel als verlässliche Kreditnehmer. Sie sollten nun die sinkenden Zinsen auf dem Kreditmarkt auch an die Landwirte weitergeben. Wenn jetzt sogar im „Milchland Niedersachsen“ mit seinen im Verhältnis zu anderen Bundesländern günstigen Konditionen für die Milch-erzeugung Höfe aufgeben müssten, folgten keine mehr nach. Was dann wohl aus unserer auch touristisch genutzten Kulturlandschaft wird? Jann und Bernd Janssen wollen den Kopf nicht in den Sand stecken – sondern Landwirte bleiben, mit einem ausreichenden Einkommen für ihre Familien. Denn allein vom Idealismus kann niemand leben.
Jahreshauptversammlung vom 26.02.09
Prof. Dr. Bernhard Brümmer von der Georg-August-Universität Göttingen erläuterte mit seinem Vortrag „Globale Vernetzung von Agrarmärkten“ die vielfältigen Mechanismen, die die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte beeinflussen. Die Landwirtschaft ist Teil der weltweiten Entwicklung. Mehrere globale Faktoren führten zu teilweise starken Preisschwankungen für die heimischen Erzeuger, die von der Agrarpolitik noch verstärkt werden.
Auf einer Weltkarte veranschaulichte Prof. Dr. Brümmer, welche Wege z. B. Getreide und Milchprodukte in der weltweiten Vermarktung zurücklegen, um vom Erzeuger zum Käufer zu gelangen. Beispielweise dienen Sojabohnen aus Südamerika zur Eiweißanreicherung von in Europa verwendeten Futtermitteln, Getreide und Mais kommen aus den USA zu uns, und Neuseeland/ Australien sind die größten Weltmarktbeschicker in Sachen Milch. Für die deutschen Milch erzeugenden Landwirte gibt es mehrere Faktoren, die sich betriebswirtschaftlich auswirken. Durch steigende Preise für Futtermittel und Rohöl erhöhen sich ihre Produktionskosten. Die Abnehmer der Milch, die Molkereien, haben aber langfristige Handelsverträge mit dem Lebensmittelhandel. Darin sind ihre Verkaufspreise für Milchprodukte festgeschrieben, die Molkerei kann also die erhöhten Produktionskosten ihrer anliefernden Land-wirte nicht oder nur verzögert „nach oben“ weitergeben. Die inländischen Verbraucherpreise steigen kaum an. Die Situation auf dem Weltmarkt ließ den Preis für Milch im Januar 2008 auf 38 Cent/Liter klettern, weil die Lagervorräte an Milchprodukten in Europa leer geräumt worden waren und die anhaltende Dürre das Angebot aus Neuseeland und Australien verminderte. Es folgte in den kommenden Monaten ein Abfall des Milchpreises auf 23 Cent im Dezember 2008, weil der Verbrauch an Milchprodukten wie Milch-pulver, Butter und Käse rückläufig war und die französischen Bauern mehr Milch auf den Markt brachten. Für die deutschen Milchvieh-betriebe bedeuten solche Rahmenbedingungen mit stark schwankenden Erzeugererlösen oft eine große Herausforderung, die nicht immer gemeistert werden kann. Die Agrarpolitik reagiert nur mit Verzögerung auf veränderte Marktsituationen, und in einem Europa der „27“ ist es wesentlich schwieriger geworden, nationale Entscheidungen zur Verbesserung der Situation der Landwirte durchzusetzen. Das Preisniveau des Rohöls wirkt sich auf die Energie erzeugenden landwirtschaftlichen Betriebe aus. Sinken die Rohölpreise, werden Biogasanlagen wirtschaftlicher, weil die Kosten für den Anbau der Energiepflanzen und deren Transport zur Biogasanlage sinken. Steigen die Rohölpreise, verteuern sich die Rohstoffe und die Rendite der Anlagen schmälert sich entsprechend, weil der Kostendruck nicht weitergegeben werden kann. Die Preise für die Abnahme der Energie sind vertraglich langfristig festgeschrieben. Agrarprodukte können auch in Konkurrenz zueinander stehen: Werden Energiepflanzen angebaut, stehen weniger Flächen für den Anbau von Futtermitteln zur Verfügung. Die müssen Landwirte dann zukaufen, was je nach (weltmarktabhängiger) Preislage zur Verteuerung der betrieblichen Produktionskosten führen kann. Für die Landwirte in Friesland brachte das Jahr 2008 daher nicht nur ein Wechselbad an Witterungslagen, sondern hauptsächlich stark fallende Preise für die meisten von ihnen erzeugten Produkte. So hatte sich der Getreidepreis im November 08 im Verhältnis zum März 08 halbiert. Zwar stieg die Nachfrage in China nach Getreide an, doch große amerikanische Lager wurden gleichzeitig geleert und viel Getreide kam auf den Weltmarkt. Der Transport von Kohle und Getreide nach China ließ aber die vorhandenen Kapazitäten an Frachtschiffen an ihre Grenzen stoßen– Transporte wurden teuer. Transportkosten sind allerdings preisbestimmend für Futtermittel aus dem Ausland. In Brasilien wurden z.B. große Savannengebiete zur Ausweitung des Sojaanbaues zur Lebensmittel- und Futterproduktion umgebrochen und damit das Angebot gesteigert. Diese Flächen liegen aber in weiter Entfernung von der Küste – damit steigen die Transportkosten. So kam es, dass die hiesigen Schweinemäster unter hohen Futtermittelpreisen litten. Auch die Ferkelerzeuger gerieten teilweise in Existenznot. Allein der Rindfleischmarkt zeigte sich stabil. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Produktionskosten erlitten viele landwirtschaftliche Betriebe wirtschaftliche Einbußen. Daher fordert der Berufstand der Landwirte u.a. von der Bundes-politik steuerliche Erleichterungen und stärkeren Bürokratieabbau. Nach wie vor kommen Ausgleichszahlungen, die agrarpolitisch für die Landwirtschaft vorgesehen sind, bei den Bauern nicht in aus-reichendem Maße an. Um mit Preisschwankungen künftig besser fertig zu werden empfahl Prof. Dr. Brümmer den Landwirten, sich im Bereich des Risikomanagementes zu schulen und Beratungs-leistungen einzukaufen. Und im Zuge der Finanzkrise und einer damit verbundenen Inflationsgefahr sollte besser jetzt investiert werden anstatt Geld auf die hohe Kante zu legen.