Landwirte wollen “Tierwohl-Cent” nicht selbst bezahlen

Bringt ein “Tierwohl-Cent” wirklich mehr Tierwohl, oder handelt es sich dabei nicht eher um eine Steuer auf Fleisch und Milch? Um diese Frage ging es bei einem Gespräch in Jever, zu dem der Vorstand des Kreislandvolkvereins Friesland eingeladen hatte. Mit dabei waren Ralf Hinrichs, Geschäftsführer der Molkerei Ammerland, und Dr. Gerald Otto, Beauftragter für Tierschutz, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit bei der Goldschmaus-Gruppe.

Eine Tierwohl-Abgabe hatte ursprünglich das „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ – auch bekannt als Borchert-Kommission – ins Spiel gebracht. Die Idee: Um mehr Tierwohl in der Landwirtschaft zu ermöglichen, sollen Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf tierischer Produkte einen Aufschlag bezahlen, damit die Erzeuger damit verlässlich ihren Mehraufwand decken können.

Diese Idee hatte der aktuelle Landwirtschaftsminister Cem Özdemir kürzlich unter dem Stichwort „Tierwohl-Cent“ wieder aufgegriffen. „Die Vorschläge, die das Bundeslandwirtschaftsministeriums jetzt vorgelegt hat, stellen das ursprüngliche Konzept aber auf den Kopf“, sagte Lars Kaper, Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Friesland. So soll die Abgabe nicht mehr an der Ladentheke, sondern als Steuer bei den Verarbeitern, also den Molkereien und Schlachtereien, erhoben werden. „Für uns Landwirte würde das bedeuten, dass wir die Tierwohl-Abgabe am Ende selbst zahlen – denn bei den derzeitigen Machtverhältnissen in der Wertschöpfungskette könnten die Mehrkosten wohl kaum an den Lebensmitteleinzelhandel weitergereicht werden“, prognostiziert Lars Kaper. Eine Steuer könnte zudem nicht zweckgebunden erhoben werden, sondern die Einnahmen würden im allgemeinen Haushalt landen.

Molkerei-Geschäftsführer Ralf Hinrichs ergänzte: „Selbst, wenn es sich nur um zwei Cent pro Liter Milch handelt – bei 2,4 Milliarden Liter Milch wären das 48 Millionen Euro, die man unseren Mitgliedern wegnimmt. Denn in unserer Region haben die allermeisten Landwirte längst in tierwohlgerechte Ställe investiert, die der Haltungsstufe 3 entsprechen. Sie würden von einer möglichen Stallbauförderung gar nicht profitieren.“

Für den Bereich Fleisch wies Dr. Gerald Otto darauf hin, dass die Goldschmaus-Gruppe bereits Programme mit höherwertigen Haltungsstufen anbietet – wo immer die Nachfrage es zulässt: „Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir die Produkte im Markt unterbringen und die Schritte nicht zu groß werden.“ Wenn die Standards im Inland zu hoch geschraubt würden, ohne dass Finanzierung und Planbarkeit für die Erzeuger sowie eine ausreichende Nachfrage gegeben sind, werde die Produktion ins Ausland abwandern: „Das dient dann weder dem Tierwohl noch dem Klimaschutz.“

„Der Begriff ,Tierwohl-Cent‘ klingt für mich erstmal wie ein dickes Weihnachtsgeschenk, aber wenn ich es auspacke, ist am Ende gar nichts drin – außer die Rechnung”, brachte es Jörg Even, Landwirt aus Schortens und stellvertretender Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Friesland, auf den Punkt. Stattdessen schlug er gemeinsam mit seinen Vorstands-Kollegen vor, Umbauten zu höheren Tierwohl-Standards über vorhandene Programme zur Investitionsförderung wie das AFP zu fördern. Diejenigen, die in den vergangenen Jahren bereits in Tierwohl investiert hätten, könnten auf diesem Weg auch bei der Erreichung höherer Standards im Gewässerschutz, im Immissionsschutz und bei der Klimaeffizienz unterstützt werden. „Vor allem brauchen wir Rahmenbedingungen, die verlässlich sind, damit Investitionen auch refinanziert werden können“, mahnte Lars Kaper an.